Was bedeutet der Glaube an Arachne?
Am Anfang meiner damaligen Überlegungen stand die Frage "Malagash und Arachne sind die sogenannten "dunklen Gottheiten" des Systems. Was aber unterscheidet die beiden voneinander?"
Eine erste grobe Antwort war schnell gefunden. Fast jedem dürfte das Gesinnungssystem von AD&D bekannt sein. Nach dieser Klassifizierung kann man Malagash recht eindeutig als "chaotisch böse" bezeichnen. Für Arachne empfand ich die Kategorie "rechtschaffen böse" als stimmig und interessant. Diese Zuordnung war die Basis für alles nachkommende.
"Rechtschaffen böse", das bedeutet: Die Kirche der Arachne ist zu einem gewissen Grad menschen-, menschenrechts-, und freiheitsverachtend. Niemand hat Anspruch auf sein Leben, Blutopfer werden als völlig normal angesehen und die Riten sind grausam genug, um jeden zartbesaiteten Pazifisten in Ohnmacht kippen zu lassen - soviel zu "böse".
Allerdings gibt es innerhalb dieser Religion Gesetze, Richtlinien, Hierarchien und feste Maßstäbe, an die sich die Gläubigen halten, auch wenn es ihren eigenen Tod bedeutet. Diese Dinge sind nicht willkürlich, und sie basieren nicht auf dem Recht des Stärkeren, sondern auf Traditionen und dem Wort der von der Göttin begünstigten, den Orakeln des Tempels - soviel zu "rechtschaffen".
Was sind Aspekte von Arachne?
Es hat sich hauptsächlich durch die Spielpraxis ergeben, doch es scheint mir auch sehr gut zu einer Religion zu passen, die eine Spinne als Symbol hat, daß eine primäre Eigenschaft der Gläubigen die Heimlichkeit ist. Es gibt keine glänzende, sich in die Öffentlichkeit stellende Kirche wie bei den Gläubigen Ultors, im Gegenteil.
Man kann nie sagen, wer dem Glauben an Arachne angehört - und weiß man es, ist es meistens für diesen Vertreter zu spät. Sie sind wenige, doch mehr, als man denkt. Sie sind still und verborgen, doch fast überall präsent.
Die Notwendigkeit der Tarnung führt zu einigen ganz simplen Konsequenzen: Es gibt auch keine einige Kirche. Die Arachniten sind fast überall geächtet, ihre Gemeinschaften sind klein, denn sonst fliegen sie auf. Und da es auch dementsprechend schwer ist, Kontakt zu ihnen aufzunehmen, weiß oft der eine Arachnit noch nicht einmal vom anderen. Dies birgt natürlich Probleme, doch es sichert auch das Überleben, denn man erwischt sie nie alle.
"Hat man eine Tempelgemeinschaft zerschlagen, gibt es zwei Gläubige, die überlebt haben - und die zerstreiten sich und bilden zwei neue Tempel..."
Was bedeutet dies im Spiel?
- keine Kleidungsvorschrift in der Öffentlichkeit. Allgemeingültige Zeremonialgewänder werden nur bei Riten getragen, wo man sich sicher sein kann, keine ungebetenen Zuschauer zu haben
- keine allgemeinen Erkennungszeichen. Die irgendwo tätowierte Spinne ist beliebt, doch oft genug ist dies auch der verfrühte Tod der Träger. Die Kontaktaufnahme untereinander ist dementsprechend fast unmöglich, denn wem soll man vertrauen, es könnte ein verdeckter Ermittler sein?
-> Arachniten sind überaus mißtrauisch. Eine der gefürchtesten Dinge ist Verrat, und ihm wird rigoros begegnet. Prüfungen, Schwüre, Wahrheitstränke und andere praktikable Dinge, um sich der Aufrichtigkeit des anderen zu versichern, sind beliebte Mittel. Dementsprechend hart werden Vergehen geahndet. Lieber ein Mitwisser zuwenig als einer zuviel.
Weitere Aspekte
Viele dieser Dinge resultieren aus dem Bemühen, ein Gegengewicht zum Malagash-Glauben aufzubauen, andere stammen aus bewährter Spielpraxis, den Vorgaben des Regelwerkes oder weiterführenden Überlegungen wie das zum "rechtschaffen böse":
- die Nacht
- Heimlichkeit
- Stille
- starre Ordnung
- Kälte
- Worttreue
- Logik und Emotionslosigkeit
- Spionage und Intrige
- Blutopfer, rituelle Morde
- Schutz der Gläubigen
zur Nacht:
Dieser Aspekt geht deutlich aus dem Regelwerk hervor. Arachne verachtet und meidet die Sonne und somit den Tag, ihr Metier ist die Finsternis.
zur Heimlichkeit: bereits oben erläutert
zur Stille:
Dies ergibt sich fast zwangsläufig, wie soll Verborgenheit anders zu praktizieren sein? Religiöses Vorbild ist die Spinne in ihrem Netz, die unbemerkt stundenlang ruhig verharren kann, bis sich ein Opfer in ihren sorgsam gesponnen Fäden verfängt. Arachniten sind Jäger, und Geduld ist für einen guten Jäger keine Tugend, sondern eine Grundvoraussetzung zum Überleben.
zur starren Ordnung:
Ohne diese würde diese zersplitterte Institution völlig in malagashgefälliges Chaos versinken. Sie gehört zur Zuordnung "rechtschaffen" und gewährt den Zusammenhalt und das Überleben dieser Religion, denn auf ihr basieren die Dinge, an denen man überhaupt noch den Glaubensbruder erkennen und sich auf den anderen verlassen kann.
zur Kälte:
Arachne hasst die Sonne und ihre Hitze, ihr Reich ist die Nacht und das kalte Funkeln ihrer geblendeten Facetten-Augen (Sterne) verfolgt die Vorgänge auf dem Kokon ihrer Kinder.
zur Worttreue:
zu ihr wurde bereits einiges gesagt. Sie wird notwendig, wenn man sich in der Unsicherheit einer verfolgten Gemeinschaft überhaupt noch auf etwas verlassen will. Verrat ist eine Todsünde.
Es ist nicht so, daß Arachniten nicht lügen würden, sonst kämen sie draußen wohl kaum zurecht. Sie sind Meister der zurückgehaltenen Wahrheit und der "interessenbedingten Interpretationsverschiebung", doch umso genauer achten sie auf die Dinge, auf die sie sich verlassen müssen. Sie leisten fast nie Schwüre und geben nur selten ihr Wort, denn es bindet sie. Die Loyalitätsbekundung zu ihrem Tempel gestaltet ihr Leben, ein Wortbruch bedeutet Frevel und den Tod.
zur Logik und Emotionslosigkeit:
Auch sie ist ein Gegengewicht zu dem wechselhaften Naturell Malagashs und passt stimmig ins Bild. Arachniten lassen sich zu nichts hinreißen. So wie die Spinne sorgfältig ihr Netz an geeigneter Stelle spinnt, sind ihre Gläubigen kühle Taktierer, die erst dreimal nachdenken, bevor sie sich durch Handlung offenbaren. Es ist sehr vorteilhaft, einen Plan aus verschiedenen Blickwinkeln zu beobachten und sich schon im Vorfeld über die Konsequenzen möglichst im Klaren zu sein - "welchen Faden muß ich ziehen, um die ungläubige Meute in die gewünschte Richtung zu dirigieren?"
zur Spionage und Intrige:
Gibt es unter solchen Voraussetzungen naheliegendere Betätigungsfelder? Die Augen der Spinne sind überall, ihre Vertreter überall verstreut und an möglichst günstigen Positionen. Was immer geschieht, ein Arachnit hat es oft schon vorher gewusst (nicht zuletzt durch die Orakel), was immer geschieht, es wird beobachtet und registriert, was immer geschah, kaum merklich machen sich ihre Beeinflussungen breit. Wenn die anderen bemerken, was das Werk der Arachniten daran ist, ist es bei guter Planung bereits zu spät.
zu Blutopfern und rituellen Morden:
In Arachnes Kokon, der Erde, ruht ihre Brut und muß durch Blut genährt werden, um zu wachsen und eines Tages... äh, Nachts zu schlüpfen. Doch weswegen sollte man mit einem Spinnenzettel das Opfer vorwarnen, um dieser Pflicht nachzukommen? Morde im Namen Arachnes sind rituelle Morde, ihre Grundlagen sind nicht Bezahlung oder emotionale Rachegelüste, sondern religiöse Überzeugungen. Dementsprechend morden Arachniten nicht wahllos, sondern selbst diese Dinge unterliegen strikten Reglementierungen. (Da dies nach einigen Statements vermutlich zu den "inneren Geheimnissen" gehört, halte ich meine ausführlicheren Erklärungen zu diesem Thema mal hier raus, bin aber generell natürlich ansprechbar

)
Schutz der Gläubigen:
Mal ehrlich, ist das so verwunderlich? Jedes Mitglied ist kostbar, denn die religiöse Gemeinschaft ist ausgedünnt genug. Zudem ist es eine rationelle Überlegung - jede Religion muß auch ihre Vorteile bieten, jedes Mitglied muß sich von dem Beitritt irgend etwas versprechen können. Sicherheit ist ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen, und ihre Natur macht Arachniten zu sehr zuverlässigen Beschützern, wenn sie es denn wollen. Dieser Aspekt ergibt sich sehr einfach aus dem Gesamtaufbau der Konstruktion und nicht zuletzt aus der Frage: Wie sollte eine Religion überleben, wenn sie absolut nichts anderes tut, als ihre Mitglieder und Neuzugänge abzuschrecken? (Näheres natürlich ebenfalls bei direkter Kontaktaufnahme zu mir zu erhalten.

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